Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Tuberkulostatika

Benzothiazinone und Pyridomycin-Analoga

Um 1900 war in Nordeuropa fast jeder zwanzigjährige Mensch Träger von  Mycobacterium tuberculosis. Schlechte Zeiten für den Träger wie Kälte,  Mangelernährung und andere Erkrankungen waren gute Zeiten für diesen  opportunistischen Keim. Ab den 1970ern wurden die Tuberkulosekliniken  nach und nach geschlossen und der Begriff "Schwindsucht" geriet in  Vergessenheit. Zum Beginn des 21. Jahrhunderts verstärken sich international die Bemühungen, Tuberkulose in den Griff zu bekommen. Die G8-Industriestaaten bezeichnen Tuberkulose, AIDS und Malaria als "die" drei Pandemien und stecken eine Menge Geld in Erkennung, Prävention und Therapie. Auch die Europäische Kommission, Generaldirektorat Gesundheit, die Bill und Melinda Gates-Stiftung und andere fördern gezielt Forschung gegen Mykobakterien; denn die Mykobakterien kehren zurück. Eigentlich waren sie immer da: Dormant (persistierend) in Gesunden, fulminant bis dominant in Tuberkulosekranken. Im Jahr 2011 gab es im "WHO Global TB Control Report" zum ersten Mal die gute Nachricht, dass die Zahl der Tuberkuloseerkrankten rückläufig war, freilich auf hohem Niveau: 8,8 Millionen in 2010 gegenüber 9,0 Millionen 2005; Todesopfer 1,4 Millionen 2010 gegenüber 1,8 Millionen 2003. Das ist vor allem auf konsequente, spendengestützte lokale Behandlungsprogramme in ärmeren Ländern zurückzuführen. Die verringerte Sterberate errechnet sich zum Großteil durch Fortschritte in der VR China. Allerdings wird geschätzt, dass weltweit bis zu einem Drittel der TB-Erkrankungen diagnostisch und statistisch gar nicht erfasst sind. Damit erhalten etwa 4 Millionen Menschen gar keine Therapie.

Trotz Tuberkulosetag der WHO (24. März) ist TB eine Seuche, die in den Massenmedien in Relation zu dem Schaden, den sie anrichtet, unterrepräsentiert ist. Sie ist insofern das Gegenteil einer mediengemachten oder ökonomisch geleiteten Seuchenhysterie wie BSE oder die Schweinegrippe des Winters 2010/11. Freilich sind Mykobakterien als Opportunisten bisher vor allem in sozial schwachen und Armutsmilieus wieder verstärkt aufgetreten oder vorhanden gewesen. In Europa findet sich eine alarmierend große Zahl an MDR-Patienten in London, einem Treffpunkt aller Völker und globalen Entwicklungen.

Die Forschungsanstrengungen sind stärker geworden, so dass ein paar neue Antituberkulotika hoffentlich in den nächsten Jahren den Arzneischatz vermehren. Mit Bedaquilin (INN) ist eine Substanz schon recht weit in der klinischen Entwicklung, und das im Hans-Knöll-Institut (Jena) entdeckte BTZ043 ist das bisher wahrscheinlich stärkste Gift gegen Mykobakterien mit der Chance auf arzneiliche Verwendung (MHK im pg/ml-Bereich).

Da es bisher nur wenige BTZ-Derivate gibt, stellen wir Derivate her, die sich durch bessere synthetische Zugänglichkeit und Stabilität auszeichnen. Wirksamkeitstests werden im Jenaer Hans-Knöll-Institut durchgeführt. Wir haben bereits Derivate finden können, die das Wachstum von Mycobakterien in Konzentrationen unter 1 nMol/L hemmen.

Ein zweites Projekt orientiert sich am Naturstoff Pyridomycin, der schon vor längerem als starkes Antituberkulotikum identifiziert wurde. Bisher ist der Stoff aber wegen seiner sehr schlechten Zugänglichkeit kaum untersucht. Man traut ihm zu, einen ganz eigenen molekularen Wirkungsmechanismus zu haben, was Kreuzresistenzen ausschlösse. Wir arbeiten an der Synthese und Testung von Analoga und Derivaten dieses komplexen Depsipeptides.

Kooperationen:

Dr. Ute Möllmann und Dr. Michael Ramm, Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Hans-Knöll-Institut), Jena.

Dr. Lluís Ballell, GlaxoSmithKline, Diseases of the Developing World, Madrid, Spanien.

Dr. Chun-wa Chung, GlaxoSmithKline Medicines Research Centre, Stevenage, UK.

Dr. Argyrides Argyrou, GlaxoSmithKline Medicines Research Centre, Stevenage, UK.

Prof. Dr. Yossef Av-Gay, Infection and Immunity Research Centre, University of British Columbia, Vancouver, Canada.

Prof. Dr. Shuangjun Lin, School of Life Sciences and Biotechnology, Shanghai Jiao Tong University, Shanghai, P.R. China.

Dissertationen und Diplomarbeiten:

A. Richter, Diplomarbeit (Pharmazie), Halle 2013.

A. Eichner, Diplomarbeit (Pharmazie), München/Halle 2013.

I. Rudolph, Dissertation 2014.

K. Laqua, Dissertation in Arbeit.

M. Klemm, Dissertation in Arbeit.

A. Richter, Dissertation, Halle 2017.

H. Asfaw, Dissertation, Halle 2017.

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