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Pharmazeutische Aspekte von Tee-Inhaltsstoffen

Kaffee und Tee sind die wichtigsten coffeinhaltigen Genussmittel. Sie werden weltweit konsumiert und erforscht. Doch gibt es noch offene pharmazeutisch interessante Fragestellungen. So verfügt man nur über unzureichende wissenschaftliche Beweise für die Aussage, dass schwarzer Tee nach drei Minuten anregend und nach fünf Minuten beruhigend wirken soll. Lässt sich die Antwort mit Hilfe von pharmakokinetischen Daten erbringen? Wie schnell wird das Coffein resorbiert? Wie viel Coffein kann im Blut nach Genuss eines drei oder eines fünf Minuten Tees nachgewiesen werden? Oder lässt sich diese Beobachtung über die anderen Inhaltstoffe des Tees oder deren Metaboliten erklären (s.u. Theanin)? Schließlich haben wir die antibakterielle Wirkung von Tee-Extrakten gegen 111 MRSA-Stämme (klinische Isolate) untersucht.

Die Resorption von Coffein aus Kaffee, Cola und Tee wurde zwar 1973 von V. Marks und J. F. Kelly beschrieben, jedoch war die Probandenzahl mit drei Probanden für statistische Aussagen zu gering, und die applizierte Menge an Coffein war weit über den Mengen einer üblichen Zufuhr von Kaffee oder Tee. Außerdem wurden in den Versuchen nur initial die Resorptionseigenschaften des Coffeins untersucht, so dass die Blutentnahme nach 120 Minuten abgebrochen wurde.

Eine andere Studie, die die Aufnahme und Plasmakinetik von Coffein und Paraxanthin nach Kaffee- oder Tee-Zufuhr bestimmte, ist uns nicht bekannt. Es besteht also Bedarf, den Plasmaspiegelverlauf von Coffein und Paraxanthin nach Konsum üblicher Mengen Kaffee und Tee in üblicher Trinkstärke zu untersuchen. Durch die Studie werden valide Daten über die Resorption und Pharmakokinetik des Coffeins aus sehr lange und oft konsumierten Lebensmitteln gewonnen. Für Coffein sind etliche Interaktionen mit Arzneistoffen bekannt, z.B. mit Theophyllin, Ciprofloxacin, Ephedrin; daher ist die Kenntnis der Pharmakokinetik von Coffein aus Lebensmitteln nützlich zu wissen.

Zunächst wurde eine HPLC-Methode zur Bestimmung von Coffeingehältern in Getränken entwickelt und validiert. Sodann wurde eine kontrollierte Interventionsstudie an gesunden Probanden mit Genehmigung der Ethikkommission unseres Universitätsklinikums durchgeführt: "Bioverfügbarkeitsstudie des Aromastoffs Coffein und dessen natürlichem Metaboliten Paraxanthin nach Konsum von Kaffee und Tee". Die Studie wird derzeit ausgewertet.

Theanin und die homologe Aminosäure 2-Amino-6-ethylamidoadipinsäure konnten bisher nur in Camellia-Arten und dem Speisepilz Xerocomus badius nachgewiesen werden. Theanin ist mit einem Gehalt von 0,3 bis 1,6 % ein Hauptbestandteil im Tee. Von Theanin wurde im Tierversuch nachgewiesen, dass es Coffein entgegenwirkt.

Wie auch bei anderen Aminosäuren ist in vivo eine Metabolisierung des Theanins durch Decarboxylierung zum gamma-Aminobuttersäureethylamid wahrscheinlich. Uns interessiert, welche Wirkung das Arachidonsäureamid von gamma-Aminobuttersäureethylamid als mögliches Stoffwechselprodukt an CB1- und CB2-Rezeptoren hat und ob sich über diesen Mechanismus die speziellen Wirkungen des Tees besser erklären lassen.

Nach der Synthese entsprechender Theanin-Derivate wurden in der Arbeitsgruppe von Prof. V. Di Marzo Assays an Cannabinoid- und TRPV1-Rezeptoren und mit Fettsäureamid-Hydrolase durchgeführt.

Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA) haben sich in den letzten Jahren speziell in Krankenhäusern zu einem ernsthaften Problem entwickelt. Gleichzeitig konnte in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt werden, dass Extrakte und Inhaltsstoffe der Teepflanze Camellia sinensis gegen eine Reihe von Viren und Bakterien, unter anderem MRSA, wirksam sind.

In diesem Zusammenhang richtete ein Fachkrankenhaus für Kinder- und Jugendmedizin die Anfrage an unsere Arbeitsgruppe, in welcher Weise und Menge eine Tee-Zubereitung bei Patienten mit MRSA-Befall angewendet werden könnte. Da weder eigene Erfahrungen vorlagen noch der Fachliteratur präzise Angaben entnommen werden konnten, haben wir die bioziden Eigenschaften von Tee-Extrakten, Tee-Lyophilisaten und niedermolekularen Catechinen, insbesondere Epigallocatechingallat (EGCG), auf MRSA systematisch untersucht. Im Vordergrund stand dabei der Zusammenhang von Extraktmenge, Extraktzusammensetzung und Einwirkungszeit. Die Teezubereitungen und Catechine wurden an 111 MRSA-Stämmen getestet. Die Stämme sind klinische Isolate und werden im Hygiene-Institut der Universität Heidelberg, Sektion Infektiologie (Abt. von Prof. Dr. med. Constanze Wendt) gesammelt. Dort fanden auch die Assays statt. Ab einer Konzentration von 40 µg/mL zeigten die getesteten Teezubereitungen bzw. EGCG bei vielen Stämmen Wachstumshemmung. Ab 80 µg/mL EGCG war bei allen Stämmen kein Wachstum mehr festzustellen. Eine Konzentration von 80 µg EGCG pro Milliliter ist, wenn es um eine Ganzkörperdesinfizierung gehen soll (wie in vom Krankenhaus angefragten Beispielen), mit Grüntee durchaus zu erreichen. Bei einem EGCG-Gehalt von 10% - wie ihn viele Grüntees aufweisen - wären für 200 Liter Wasser 160 g Grüntee zu extrahieren. Besser und sicherer wäre ein auf EGCG-Gehalt standardisiertes Lyophilisat. Nachteilig ist, dass nach unseren Studien Grüntee-Extrakte eine lange Einwirkungszeit benötigen, um einen signifikanten bakteriziden Effekt bewirken. Die ersten nachweisbaren Effekte konnten nach 60 min, Reduktionsfaktor-(RF-)Werte von >5 nach 240 min festgestellt werden. Im Vergleich erreichen Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis diesen RF-Wert schon nach 30 Sekunden. Um eine ausreichende Wirkung zu erzielen, müsste der Extrakt demzufolge eine längere Zeit auf dem infizierten Gewebe verweilen.

Kooperationen:

Prof. Dr. med. Peter Presek, Sektion Klinische Pharmakologie, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Klinikum der Medizinischen Fakultät, Martin-Luther-Universität

Bernhard Watzer, Mutter-Kind-Zentrum, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Forschung, Labor für Instrumentelle Analytik, Marburg

Prof. Dr. Vincenzo Di Marzo und Dr. Luciano De Petrocellis, Endocannabinoid Research Group, Consiglio Nazionale Delle Ricerche, Pozzuoli, Italien

Prof. Dr. med. Constanze Wendt, Sektion Infektiologie, Hygiene-Institut der Universität Heidelberg

Dissertationen und PJ-Arbeiten:

René Schneider, Dissertation (Pharmazie), in Arbeit.

Volker Bär, PJ-Arbeit (Pharmazie) 2008

Publikationen:

P. Imming, Tee schützt vor Bakterien und Viren. Wissenschaftlicher Informationsdienst Tee 2003 (1), 2-11

R. Schneider, T. Lüdde, S. Töpper, P. Imming, Tee gegen den Lärm der Welt. Pharmaz. Ztg. 2008, 153, 1429-1436. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=5543   

J. Brockmann, A. Schliemann, P. Imming, Thein, Theanin, Theacrin. Alles im Tee. Pharmaz. Ztg. 2009, 154, 1822-1824. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=29794   

R. Schneider, P. Imming, "Coffee and Tea, Beverages of special pharmaceutical interest." Vortrag auf der Doktorandentagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, 06.–08.09.2006, Nürnberg

R. Schneider, P. Imming, "New pharmaceutical aspects of Coffea and Camellia constituents." Poster beim 4th Polish-German Symposium on "Pharmacy in the New Century", Martin-Luther-Universität Halle, 06.06.2007

R. Schneider, C. Sinning, M. G. Cascio, V. Di Marzo, P. Imming, "Synthesis of potential theanine metabolites, related structures and their affinity for CB receptors." Poster auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung, Graz, 02.-05.09.2007

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